Rapport annuel RFSM santé mentale canton de Fribourg

Jahresbericht 2022

Zwischen Konsolidierung und Entwicklung: Das FNPG geht seinen Weg in einem angespannten finanziellen Umfeld

15 Jahre nach seiner Gründung, nach einer intensiven Weiterentwicklung des Versorgungsangebots im Bereich der psychischen Gesundheit in unserem Kanton, möchte das FNPG nun seine Grundlagen konsolidieren. Zu seinen Prioritäten gehören die Patientenerfahrung, die solide Verankerung der vorbildlichen klinischen Verfahren im Alltag, die interaktive gesellschaftliche Kommunikation und die Akademisierung. Die Frage aber, die sich alle stellen, lautet: Werden die Determinanten der regionalen Nachfrage an psychiatrischer Versorgung diese konsolidierende Introspektion zulassen oder werden sie das FNPG wie bisher unablässig zwingen, seine Leistungen bedarfsgerecht fortzuentwickeln?

Zur Veranschaulichung der bisherigen Entwicklung sei erwähnt, dass das FNPG zwischen 2009 und Ende 2022 von 339 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) auf über 500 VZÄ angewachsen ist. Dies entspricht einer Zunahme von 48 % über 14 Jahre bzw. einer durchschnittlichen Aufstockung von zwölf Stellen im Jahr. Parallel dazu ist der jährliche Staatsbeitrag für gemeinwirtschaftliche Leistungen im selben Zeitraum um 20 % gestiegen. Das FNPG erhält diesen Beitrag alljährlich vom Kanton, um die Finanzierung bestimmter ambulanter Leistungen zu ergänzen. Dieses Missverhältnis in der Finanzierung lässt erkennen, dass das FNPG nicht nur seine ambulante Produktivität stetig gesteigert hat, sondern auch seine stationären Kapazitäten, die Ende 2022 194 Betten betrugen. Von diesen Betten befinden sich nun 58 im Stationären Behandlungszentrum des FNPG Freiburg in Villars-sur-Glâne und 136 im Stationären Behandlungszentrum des FNPG Marsens.

Im Berichtsjahr wurde der Personalbestand des FNPG zwischen Jahresbeginn und Herbst von 460 auf über 500 VZÄ erhöht. Dies zeigt, dass die Leitungsorgane des FNPG stets bestrebt sind, eine Zunahme der Tätigkeit durch die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen zu begleiten und dadurch den Anliegen der Praxis zu entsprechen.

Im ambulanten Bereich hat das FNPG im Jahr 2022 vor allem die Eröffnung der Sprechstunde COLIBRI konsolidiert. COLIBRI steht für «Consultation Liaison – BRève Intervention». Das Angebot ist auf die Behandlung minderjähriger Substanzkonsumenten in komplexen Konstellationen spezialisiert. Ausserdem organisierte das FNPG die Ausweitung der Einsätze von Psymobile auf Wochenenden und Feiertage. Psymobile ist ein aufsuchendes interprofessionelles Team, das die Ressourcen der Gemeinschaft einbindet und bezweckt, zum Kind oder Jugendlichen und seiner Familie ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und sein Behandlungsnetz zu reaktivieren.

Im Bereich Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie eröffnete das FNPG im Jahr 2022 das therapeutische Tagesprogramm im Gefängnis. Dabei handelt es sich um eine mögliche Lösung angesichts der Rationierung der psychiatrischen Versorgung von Häftlingen mit einer stationären therapeutischen Massnahme nach Artikel 59 StGB. Nach diesem Artikel kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn der Täter psychisch schwer gestört ist und eine Straftat begangen hat, die mit seiner psychischen Störung im Zusammenhang steht. Das Programm ist wie eine Tagesklinik am Standort Bellechasse der Freiburger Strafanstalt organisiert. Das Ziel ist, dass die teilnehmenden Insassen Gelerntes umsetzen, die Richtigkeit von Gelerntem überprüfen (Umgang mit Wut und Impulsivität, Organisation des Tagesablaufs) und eigene Ressourcen wahrnehmen und einbinden können.

Darüber hinaus hat das FNPG beschlossen, am Gesundheitszentrum Süd am HFR Riaz anwesend zu sein. Das Angebot des Gesundheitszentrums Süd umfasst neben Leistungen der Erstversorgung auch Leistungen von Spezialisten, des Sozialbereichs und beispielsweise der Gesundheitsligen. Das FNPG wird mit diesen Partnern zusammenarbeiten, um den Behandlungsweg zu optimieren, aber auch, um in Zusammenarbeit mit der kantonalen Notfallpsychiatrie mit Sitz in Freiburg eine psychiatrische Notaufnahme für den Freiburger Süden zu entwickeln.

Im Bereich Alterspsychiatrie und -psychotherapie wurde das Konzept der Netzwerkarbeit ebenfalls weitgehend weitergeführt. So wird die vielseitige Praxis der Konsultation-Liaison in der grossen Mehrheit der Freiburger Pflegeheime und auch in den somatischen Spitälern fortgesetzt. Zur Erinnerung: Unter Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie versteht man die Zusammenarbeit von Psychiatern und psychiatrischen Therapeuten mit Fachkräften anderer Disziplinen des Gesundheits- oder auch des Sozialwesens. In somatischen Spitälern beispielsweise leidet etwa jeder dritte Patient neben seiner körperlichen Grunderkrankung auch an einer psychischen Störung, wie zahlreiche internationale Studien belegen. Das FNPG ist somit mit seiner Konsultation-Liaison in akutsomatischen Spitälern vertreten, beispielsweise in den Notaufnahmen des HFR, aber auch in spezialisierten Bereichen wie dem Stoffwechselzentrum des HIB, in der Psychoonkologie am HFR, im Prostatazentrum, in den Alters- und Pflegeheimen, in spezialisierten Heimen für Erwachsene, Kinder und Jugendliche, in Gefängnissen oder auch im Rahmen der Spitex. In den letzten Jahren und insbesondere im Jahr 2022 hat das FNPG diese konsiliar- und liaisonpsychiatrischen Leistungen auch zugunsten von Migrantinnen und Migranten und Asylsuchenden ausgeweitet, beispielsweise im Bundesasylzentrum Guglera. Diese Form der Annäherung und Zusammenarbeit zwischen Bereichen der Medizin und des Sozialen schafft Synergien, die der Komplexität der Bedürfnisse der Patientel eher gerecht werden, und trägt auch hier zu einer verantwortungsvollen wirtschaftlichen und rationellen Koordination der Versorgung bei.

Die Ärztliche Direktion des Bereichs Alterspsychiatrie wurde im Jahr 2022 vollständig erneuert: Dr. Samia Hakimi wurde zur Ärztlichen Direktorin und Dr. Franco Masdea zum Stellvertretenden ärztlichen Direktor ernannt.

Im stationären Teil des FNPG wurde im Jahr 2022 ein starker Anstieg der Nachfrage verzeichnet. Die abrechenbaren Tage stiegen um 9,6 % an und der durchschnittliche Belegungsgrad der durchschnittlich 189,4 Betten betrug über 100 %. Es ist schwer zu sagen, ob es sich bei diesem plötzlichen Anstieg um ein Aufholphänomen nach der Covid-Pandemie handelt oder ob dies der kantonalen Nachfrage der Zukunft entspricht. Es scheint offensichtlich, dass das Bevölkerungswachstum im Kanton, gesellschaftliche Belastungen, z. B. in der Arbeitswelt, und der einfachere Zugang zur Gesundheitsversorgung Parameter sind, die eine Zunahme der Hospitalisationen begünstigen. Wie dem auch sei, ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im FNPG schweizweit nach wie vor eine der kürzesten – ein Zeichen für die Qualität und Intensität der hier angebotenen Behandlung.

Das FNPG ist nicht nur mit Finanzierungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit dem erforderlichen Ausbau der stationären und ambulanten Leistungen im Bereich der psychischen Gesundheit konfrontiert, sondern wie die meisten Spitäler auch mit Schwierigkeiten bei der Anstellung von Arzt- und Pflegepersonal und Fehlzeiten am Arbeitsplatz, die in den letzten beiden, pandemiegeprägten Jahren deutlich zugenommen haben. Durch die Umstrukturierung unserer Personalabteilung mit ihrem neuen Leiter, Joël Cavin, und die Einstellung zusätzlicher Mitarbeitenden sollen alle Parameter des Personalwesens verbessert werden, um in unserem Unternehmen möglichst reibungslose Abläufe zu gewährleisten.

Der sehr hohe durchschnittliche Belegungsgrad und die stufenweise Erhöhung des Personalbestandes tragen beide zum guten Jahresergebnis bei, das am Schluss dieses Berichts präsentiert wird. Leider ist das Budget 2023 weitaus düsterer, weil die Finanzierung der Inflation problematisch ist und es mehrere Jahre dauern wird, bis eine dauerhafte Tariflösung gefunden wird.

Alles in allem war 2022 ein spannendes, dynamisches und erfolgreiches Jahr, das von einer intensiven klinischen Tätigkeit für unsere Patienten geprägt war. Diese Erfolgsparameter beruhen im Wesentlichen auf dem Personal des FNPG. In seinem täglichen Einsatz für die Vulnerabelsten verbindet es die technischen Aspekte der Behandlung mit einer menschlichen Einstellung, die von Respekt und Offenheit gegenüber den anderen geprägt ist. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des FNPG, auf denen die bisher erfolgreiche Entwicklung unseres Netzwerks beruht.

 

Serge RENEVEY
Generaldirektor